Pädagogik

Pädagogik

Im Kinderhaus St. Raphael haben 22 Kinder und Jugendliche ihr Zuhause.
Wir leben mit den Kindern und Jugendlichen in einer familienähnlichen Gemeinschaft und begleiten sie im Alltag und auf ihrem Weg in die Selbständigkeit. Wir stellen den Aufbau nachhaltiger, von Respekt und Empathie geprägter Beziehungen zu den Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt unserer Arbeit. Diese Beziehungsarbeit ist die Grundlage der Begleitung der jungen Menschen auf der Suche nach ihrem individuellen Lebensweg. Wir unterstützen sie, diesen Weg frei, tolerant, verantwortlich und mit Respekt vor der Schöpfung und ihrem eigenen Leben zu gehen.

In unserer Arbeit orientieren wir uns an den Bedürfnissen und Ressourcen der Kinder und Jugendlichen. Wir arbeiten dialogisch und partizipativ.

Diese pädagogische Grundhaltung setzt sich aus Elementen der Heilpädagogik, der Sozialpädagogik und der psychoanalytischen Pädagogik zusammen.

Kinder und Jugendliche, denen es aus unterschiedlichen Gründen derzeit nicht möglich ist, in ihrer Herkunftsfamilie zu leben,

  • können im Kinderhaus ein Zuhause finden.
  • erfahren durch verlässliche Bezugspersonen und haltgebende Strukturen Sicherheit.
  • erhalten die Möglichkeit, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit und ihrer Herkunftsfamilie auseinander zu setzen. Sie werden in einem angemessenen, förderlichen Verhältnis zu ihren Familien und anderen Bezugspersonen unterstützt.
  • können in der Gemeinschaft mit anderen Kindern, Jugendlichen und begleitenden Erwachsenen positive Erfahrungen im sozialen Miteinander sammeln; Beziehungsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und die Stärkung der Frustrationstoleranz werden gefördert.
  • werden in ihrem Selbstvertrauen gestärkt und zur Selbständigkeit erzogen, mit dem Ziel einer selbständigen Lebensführung als Erwachsene.
  • werden darin unterstützt, ihre eigenen Lebensziele und Visionen zu entwerfen.
  • werden in ihren individuellen Fähigkeiten und Talenten sowohl gefördert als auch herausgefordert.

Wir begleiten auch die Rückführung von jungen Menschen in ihre Herkunftsfamilie, sofern diese Möglichkeit besteht.

Das pädagogisch-therapeutische Milieu des Kinderhauses
Die Umgebung, die Räumlichkeiten und die Organisation des Kinderhauses verbinden sich zusammen mit den Methoden der Heilpädagogik, der Sozialpädagogik und der psychoanalytischen Pädagogik zu einem pädagogisch-therapeutischen Milieu.

Milieupädagogik bzw. Milieutherapie meint hierbei die bewusste Gestaltung der räumlichen sowie der interpersonalen Umwelt, so dass sie von Kindern und Jugendlichen – immer in enger Anbindung an die sie umgebenden Realitäten – bewältigt werden kann und positive Erfahrungen ermöglicht.

Die dieser Umwelt beigemessene Bedeutung spiegelt die Überzeugung wider, positive pädagogische und therapeutische Ergebnisse sind nicht auf einzelne spezifische Wirkfaktoren zurückführbar, sondern im Charakter des Milieus als Ganzem begründet. Dies schließt individuelle Behandlungssitzungen ausdrücklich mit ein, die im Kinderhaus sowohl intern, im spiel- und kreativtherapeutischen Setting angeboten werden, als auch von externen, niedergelassenen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/innen durchgeführt werden.

Die achtsame und sorgfältige Gestaltung der Räumlichkeiten und des großen Gartens des Kinderhauses soll dem Wunsch der Kinder und Jugendlichen nach Geborgenheit und Sicherheit Rechnung tragen, Individualität und Privatsphäre gewährleisten und zugleich Gemeinschaft ermöglichen. Die Kinder und Jugendlichen können ein Zuhause erleben, das ihnen Wertschätzung und Engagement für ihr Wohlergehen vermittelt.

In der Organisationsstruktur des Kinderhauses gibt es nur zwei Hierarchieebenen, zwischen den untereinander gleichgestellten Mitarbeitenden und der Einrichtungsleitung. Aufgaben und Zuständigkeiten werden also nur soweit aufgeteilt, wie es unbedingt erforderlich ist.

Diese Einteilung schafft sowohl für die Kinder und Jugendlichen, als auch für deren Eltern zuverlässige, durchschaubare und vertrauensvolle sozialen Strukturen. Insbesondere für junge Menschen, die zumeist schon verwirrend viele Kontakte zu Personen des Hilfespektrums hatten, entsteht so eine Klarheit, die Kompetenzüberschneidungen und widersprüchliche Anweisungen vermeidet. Die sie umgebenden Erwachsenen sind nicht nur für einzelne Aspekte ihres Lebens zuständig, sondern Ansprechpartner für alle Belange.

Auch die Einrichtungsleitung ist im Kinderhaus präsent. Das schließt sowohl bei den Kindern und Jugendlichen, als auch bei deren Eltern ein Gefühl der Machtlosigkeit bzw. der mangelnden Einflussnahme auf das eigen Leben aus, das entstehen kann, wenn es keinen direkten Zugang zur über die meisten Entscheidungsbefugnisse verfügenden Leitungseben gibt.

Gleichzeitig stärkt diese flache Hierarchie das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeitenden für die Lebenswege und für alle Lebensbereiche der Kinder und Jugendlichen und fördert so das tiefe und persönliche Engagement aller Mitarbeitenden.

Die bedeutungsvollste Ebene dieses milieuorientierten Denk- und Handlungsansatzes ist die Beziehungsebene zwischen den Kindern und Jugendlichen und den Mitarbeitenden. Nur auf dieser Ebene kann letztendlich der Sicherheit vermittelnde, Zuversicht weckende, symptomtolerante und beziehungsorientierte, sowie in sorgfältig reflektiertem Ausmaß herausfordernde Charakter des Milieus geschaffen werden, der den sukzessiven Prozess der Ich-Stärkung und Ich-Entwicklung der Kinder und Jugendlichen fördert.

An einem sicheren Ort erfahren die Kinder und Jugendlichen die bedingungslose Befriedigung ihre existenziellen Grundbedürfnisse. Die Mitarbeitenden respektieren im höchsten Maße die Würde und die Autonomie der Kinder und Jugendlichen und ermöglichen ihnen so, auf verlässliche, bedeutsame und emotional befriedigende Beziehungsangebote einzugehen.

Der Alltag des Kinderhauses vermittelt den Kindern und Jugendlichen durch täglich wiederkehrende Handlungen und Ereignisse eine halt- und sicherheitgebende Struktur. Diese wird ergänzt durch besondere Erlebnisse bei gemeinsamen Unternehmungen und Reisen und in der besonderen Gestaltung von Festen.

Pädagogik und Therapie sind ins alltägliche Miteinander integriert. Entwicklungs- und Persönlichkeitsstärkung von Kindern und Jugendlichen, sowie korrigierende Beziehungs- und Bindungserfahrungen finden im Alltag statt. Vorgesetzt wird dabei die Annahme, das persönliche Kontakte, die im Zusammenhang mit bedeutsamen Alltagssituationen gemacht werden, die Persönlichkeitsentwicklung mindestens ebenso heilend beeinflussen, wie das klassische therapeutische Setting. Dabei basiert der Erfolg einer pädagogisch-therapeutischen Alltagsgestaltung wesentlich auf der kumulativen Wirkung, die sich aus der reflektierten Handhabung der unterschiedlichen Alltagstätigkeiten ergibt. Korrigierende, therapeutisch wirksame Erfahrungen werden in den gleichen alltäglichen Situationen vermittelt, in denen negative Erfahrungen gemacht wurden.

Dieses gemeinsame pädagogisch-therapeutische Milieu erfordert von allen Mitarbeitenden ein hohes Maß an Engagement und Selbstreflexion. Die gemeinsame pädagogische Grundhaltung, die Sicherheit des strukturierten Milieus, sowie die gemeinsame Verantwortung für die Lebenswege der Kinder und Jugendlichen ermöglicht den Mitarbeitenden auch die Weiterentwicklung ihrer eigenen Erzieherpersönlichkeit.

So entsteht eine beiderseitig bedeutsame Beziehung zwischen den Kindern und Jugendlichen und den Erwachsenen.

Diese Bedeutsamkeit der Beziehung schafft die Voraussetzung, bei den Kindern und Jugendlichen Hoffnung und Vertrauen zu wecken und ihre Persönlichkeit mit all ihren Potentialen zu entdecken und zu entwickeln.

Basis der pädagogisch-therapeutischen Grundhaltung der Mitarbeitenden des Kinderhauses ist dabei die Überzeugung, dass theoretische Konzepte in der Praxis nur wirken, wenn sie mit der Bereitschaft zur Selbstreflexion und einem ausreichend Maß an Achtsamkeit, Kreativität und Humor verbunden werden.